Unter den Stichworten „New Work“ experimentieren aktuell viele Unternehmen mit neuen Formen der (Zusammen-)Arbeit. Diese erfordern oft auch einen veränderten Mindset der Mitarbeiter. Ein geplanter Umzug oder eine geplante Neugestaltung des Arbeitsumfelds ist der ideale Aufhänger für ein solches kulturelles Change-Projekt.

Im Gefolge der digitalen Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft verändern sich auch die Anforderungen an die Mitarbeiter der Unternehmen – denn die moderne Informations- und Kommunikationstechnik ermöglicht unter anderem neue Formen der Arbeitsorganisation sowie Problemlösungen. Deshalb drängen auch häufiger neue Mitbewerber auf den Markt, die die Geschäftsmodelle der etablierten Unternehmen in Frage stellen, wenn nicht gar obsolet machen.

Deshalb hinterfragen zurzeit viele Unternehmen ihre tradierten Formen der Arbeitsorganisation und Zusammenarbeit. Sie fragen sich: Wie können wir neben den technischen Möglichkeiten der Digitalisierung auch die modernen Formen der Zusammenarbeit, die zum Beispiel viele Start-ups und innovationsstarke Nischenanbietern praktizieren, für unseren Erfolg nutzen? In der Regel handelt es sich hierbei um Arbeitsformen, die darauf abzielen,

  • die Eigenverantwortung der Mitarbeiter und Teams auf der operativen Ebene zu erhöhen,
  • die bereichsübergreifende und crossfunktionale Zusammenarbeit zu verbessern und
  • die Kreativität und Reaktionsgeschwindigkeit beim Entwickeln und Umsetzen neuer Problemlösungen zu erhöhen.

Zusammengefasst werden all diese Initiativen oft unter den Buzzwords „Agilität“ und „New Work“.

Die Technik: Treiber und Schlüssel zur Veränderung

Die technischen Innovationen sind beim Erreichen dieser Ziele ein Schlüssel und Treiber zugleich. So steigern zum Beispiel Digitale Kollaborations-Tools sowie Virtual und Augmented Reality-Anwendungen erheblich die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in Teams, deren Mitglieder über mehrere Standorte oder gar weltweit verstreut sind. Zudem eröffnen sie neue Möglichkeiten, externe Dienstleister, Geschäftspartner oder Kunden in Projekte und Vorhaben einzubinden.

Dieses Potenzial wollen und müssen insbesondere die Unternehmen nutzen, die für ihre Kunden komplexe Dienstleistungen erbringen bzw. Problemlösungen entwerfen. Denn dies erwarten neben ihren Kunden, zunehmend auch ihre Mitarbeiter, denn diese sind heute weitgehend „digital natives“, die wissen: Ohne eine effektive Nutzung der modernen Informations- und Kommunikationstechnik ist ein konkurrenzfähiges Arbeiten kaum noch möglich.

Eine flexible, kreative Workforce entwickeln

Doch die hierfür erforderlichen flexiblen, kreativen Workforces fallen nicht vom Himmel: Sie entwickeln sich allmählich. Zwar stehen technik-affine Mitarbeiter den neuen Möglichkeiten, Arbeitsprozesse zu gestalten, meist offener gegenüber als solche, die sich von ihnen tendenziell überfordert fühlen, doch wie bei jeder Veränderung gilt auch beim Etablieren neuer Formen der Arbeitsorganisation und Zusammenarbeit: Neben Befürwortern gibt es Gegner sowie eine unentschlossene Masse. Also stellt sich die Frage: Wie kann die für den Erfolg des Projekts erforderliche Zahl von Mitstreitern gewonnen werden? Ein wirkungsvoller Transmissionsriemen kann hierbei das Um- oder Neugestalten der physischen Arbeitsumgebung sein – in zweifacher Hinsicht.

Neue Formen der (Zusammen-)Arbeit, die zum Beispiel

  • einen hohen Grad an Technisierung und Automatisierung,
  • eine bereichs- und hierarchieübergreifende sowie crossfunktionale Teamarbeit und
  • kurze Entscheidungswege

anstreben, erfordern meist auch andere Arbeitsumgebungen. Also gilt es Arbeitsräume zu schaffen, die diese Ziele unterstützen. Ein Großraumbüro mit einer Rekreationsoase und einem Kicker kann hier eine einfache Lösung sein; oft ist sie jedoch nicht die Beste. Denn letztlich gilt es, eine Arbeitsumgebung zu kreieren, die den (künftigen) Arbeitsprozessen und -anforderungen entspricht und die Teams kreativ und produktiv macht.

Deshalb empfiehlt es sich beim Umgestalten bestehender Arbeitsstätten im Vorfeld genau solche Faktoren zu analysieren wie:

  • Wieviel Arbeitszeit wenden die Teammitglieder künftig für Teamaufgaben auf?
  • Wie oft ist eine konzentrierte Einzelarbeit nötig?
  • Welche technischen Prozesse und Tools müssen wie integriert werden? Und:
  • Wie oft wird – mit Kollegen, externen Dienstleistern, Kunden usw. – konferiert oder telefoniert?

Aus den Ergebnissen können Unternehmen das passende Raumkonzept ableiten und eine wirklich unterstützende Arbeitsumgebung für ihre Mitarbeiter schaffen. Zudem bietet eine solche Analyse die Chance zum Identifizieren und Beseitigen von Arbeitsprozessen, die zu einer Verschwendung von Ressourcen, einer aus Kundensicht niedrigen Qualität und unnötigem Stress bei den Mitarbeitern führen.

Nicht nur räumlich, auch mental umziehen

Ziehen Unternehmen, Bereiche oder Teams in neue Räume um, sollte sich mehr als die räumliche Umgebung ändern, denn: Jeder Umzug beinhaltet die Chance außer mit dem Körper auch mit dem Kopf umzuziehen – also die Weichen auch mental neu zu stellen.

Jedem Umzug geht ein längerer Planungsprozess voraus. In ihm werden auch die Karten teils neu gemischt. Das wissen die Mitarbeiter. Entsprechend neugierig, gespannt und (teilweise) verunsichert blicken sie der Veränderung entgegen. Deshalb sollte aus Change-Management-Perspektive ein Umzug als ein organisationaler „unfreeze“-Moment im Sinne Kurt Lewins genutzt werden: Die Mitarbeiter werden aus ihrer Komfortzone geholt und in Bewegung versetzt. Dementsprechend sollte die Phase geplanter Umzug bzw. geplante Neugestaltung der Arbeitsumgebung für das Entwickeln, Testen und gegebenenfalls Etablieren zum Beispiel

  • neuer agiler Arbeitsweisen,
  • neuer Kommunikations- und Informationsformen sowie
  • neuer Führungsstile

genutzt werden.

Dabei geht es weniger um das Einführen neuer Tools als das Entwickeln eines veränderten Mindsets, denn: Organisationen werden nur schneller und flexibler, lernbereiter und kundenorientierter, wenn die Mitarbeiter ihre Rolle anders verstehen – und ihre Führungskräfte top-down ein eigenständigeres und selbstbestimmteres Handeln real zulassen. Dieses neue Rollenverständnis gilt es reflektieren und in neuen Aufgaben- und Funktionsbeschreibungen sowie Vereinbarungen zu operationalisieren.

Erfolgsfaktor „Beteiligung der Betroffenen“

Dabei ist eine Beteiligung der Betroffenen der Schlüssel zum Erfolg. Nutzen Unternehmen das Planen der neuen Arbeitsumgebung zum Überdenken und Weiterentwickeln der Arbeitsweisen und -routinen mit den Mitarbeitern, dann können überkommene Strukturen sowie Denk- und Verhaltensmuster aufgebrochen und verändert sowie zielführendere Prozesse implementiert werden.

Ermöglichen Unternehmen schon in der Planungsphase eine Beteiligung der Mitarbeiter, können sie bereits in ihr eine größere Mitverantwortung anstelle des gewohnten Top-down-bestimmens in ihrer Organisation etablieren. Zudem können so viele Mitarbeiter, die dem Change noch abwartend bzw. kritisch-distanziert gegenüber stehen, bereits in einer frühen Phase als Mitstreiter gewonnen werden.

Das ist wichtig, denn: Bei Projekten, die auf das Schaffen einer neuen Kultur der (Zusammen-)Arbeit abzielen, lautet eine zentrale Herausforderung wie bei jedem Change-Projekt,

  • die Treiber – also die Mitarbeiter, die sich mit den Projektzielen identifizieren – zu stärken,
  • die Unentschlossenen, soweit möglich, zu mobilisieren und
  • an den Widerständen zu arbeiten.

Gelingt dies, wird die neue Arbeitsumgebung ein räumlich sichtbarer Beleg für den neuen Mindset – auch für die nicht unmittelbar betroffenen Kollegen und Partner.

Die Mitarbeiter mental in Bewegung bringen

Aus der Change-Perspektive kann ein Um- oder Neubau ein Glücksfall für das Entwickeln neuer Arbeitsformen und eines neuen Mindset sein, bei dem

  • Tradiertes sichtbar aufgebrochen wird und
  • die Mitarbeiter nicht nur physisch in Bewegung sind.

Dabei sind Veränderungen der Arbeitsweisen, die sich aus der digitalen Transformation ergeben, besonders erfolgskritisch, denn ein Paradoxie beim Durchdringen der Arbeitswelt mit Daten und „intelligenten“ Maschinen ist: Der Mensch wird an vielen Stellen unwichtiger; an anderen steigt seine Bedeutung – und zwar überall dort, wo er bei der Mensch-Maschine-Interaktion für die nötige Kopplung sorgt.

Entsprechendes gilt bezüglich der Bewältigung der gestiegenen Komplexität. Lernende Maschinen werden künftig in den Betrieben mehr Aufgaben übernehmen. Für den Mensch Mitarbeiter bleiben die besonders herausfordernden übrig,

  • die schwer zu entscheiden sind,
  • bei denen es noch keine belastbaren Erfahrungen gibt und
  • bei denen man sich auch auf seine aus der Expertise resultierende Intuition verlassen muss.

Hierfür brauchen die Unternehmen Mitarbeiter, die dazu bereit und fähig sind, solche risikobehafteten Entscheidungen zu treffen, weil sie dies können, wollen und dürfen.

Für das „Können“ und „Dürfen“ sollen, wenn ein Umzug ansteht, durch das Projekt meist die erforderlichen strukturellen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Um diese effektiv zu nutzen, müssen die Mitarbeiter jedoch geschult werden. Dasselbe gilt für ihre Führungskräfte, die in dem neuen Arbeitsumfeld ein (teils) verändertes Führungsverhalten zeigen müssen. Deshalb empfiehlt es sich, die Zeit vor und nach einem geplanten Umzug bzw. einer Neugestaltung der Arbeitsumgebung für eine Qualifizierungsoffensive zu nutzen – zumal die Mitarbeiter in dieser Zeit des Übergangs meist für neue Impulse sehr offen sind.

Attraktives Ziel: sinnvolle Arbeit, höhere Wirksamkeit

Das „Wollen“ hingegen ist bei vielen Mitarbeitern, wenn es um das Etablieren neuer Formen der Zusammenarbeit geht, oft schon gegeben. Die große Resonanz, auf die solche Schlagworte wie „Agilität“, „New Work“ und „Mindfull Leadership“ stoßen, zeigt: Viele Menschen sehnen sich nach einer sinnerfüllten (Zusammen-)Arbeit, die sich auch an anderen Parametern als den top-down definierten Prozessen und einem starren, vorgegebenen Organisationsgefüge orientieren. Genau solche Mitarbeiter brauchen Unternehmen künftig: „Happy working people“ sind kein Selbstzweck; im digitalen Zeitalter sind sie oft eine Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg.

Für diese intrinsisch motivierten Personen, die Treiber der Veränderung, kann das Neu- oder Umgestalten der Arbeitsumgebung ebenso ein Vehikel zur Veränderung sein wie für jene, die sich an die geänderten Bedingungen noch gewöhnen müssen. Denn Um- und Neubauten bieten die Chance zum Mobilisieren vieler Mitarbeiter – auch in etablierten Unternehmen. Die angestrebten neuen Arbeitsumgebungen können helfen, verkrustete und lähmende (Denk- und Verhaltens-)Strukturen aufzubrechen und zu entfernen – sofern die Unternehmen den Anlass „Wir ziehen um“ oder „… gestalten die Arbeitsumgebung neu“ aktiv für ein Cultural-Change-Projekt nutzen.

Über den Autor:

Georg KrausDr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.

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