Digitale Transformation erfordert Engagement des Top Managements

Die digitale Transformation von Unternehmen erfordert einen integrierten Transformationsansatz, der den damit verbundenen Changeprozess synchronisiert. Dessen Realisierung setzt wiederum ein starkes Engagement des Top-Managements voraus. Dieses fehlt oft. Das ergab eine Befragung der CIOs bzw. IT-Leiter von Unternehmen.

Das Thema Digitale Transformation der Organisation ist für die Unternehmen nicht neu. Seit Jahrzehnten beschäftigen sich insbesondere Großunternehmen, die über eine komplexe Organisationsstruktur verfügen, mit der Frage, wie können wir mit Hilfe der Digitaltechnik die Geschäftsprozesse in unserer Organisation effektiver gestalten. Über eine entsprechend große Erfahrung in diesem Bereich verfügen viele Unternehmen bereits.

Dessen ungeachtet stellen sie im Betriebsalltag jedoch immer wieder fest, dass bei Projekten, die auf eine digitale Transformation ihrer Organisation abzielen, die angestrebten Ziele nicht oder nur teilweise erreicht werden. Dies war für die auf das Themenfeld Change und Transformation spezialisierte Unternehmensberatung Kraus & Partner der Anlass, mittels einer Befragung der für den Erfolg der digitalen Transformationsprojekte in ihren Unternehmen verantwortlichen Personen zu erkunden,

  • wie zufrieden diese mit dem Verlauf der digitalen Transformationsprozesse in ihrer Organisation sind,
  • wo aus ihrer Warte die größten Schwachstellen liegen und
  • was ihres Erachtens für deren Beseitigung erforderlich ist.

65 CIOs und IT-Leiter von Unternehmen befragt

Befragt wurden im Rahmen dieser Studie insgesamt 65 für die digitale Transformation in ihrer Organisation verantwortliche Personen in Unternehmen mit jeweils mehr als 1000 Mitarbeitern. Von diesen waren 22 Prozent Mitglieder des Vorstands bzw. der Geschäftsleitung ihrer Organisation und knapp 67 Prozent hatten in ihr die Position des CIOs bzw. IT-Leiters inne. Bei den verbleibenden 11 Prozent handelte es sich um die Leiter solcher Fachbereiche wie der Produktion oder des Vertriebs sowie vereinzelt um externe Berater, die als Interim-Manager, für eines oder mehrere strategisch relevante Change- bzw. Transformationsprojekte in dem jeweiligen Unternehmen verantwortlich zeichneten. All diese Personen wurden zunächst mit einem Online-Fragebogen befragt, um eine statische Auswertung der Daten zu ermöglichen. Danach wurden mit etwa einem Drittel von ihnen vertiefende narrative Interviews geführt, um die gewonnenen Erkenntnisse zu vertiefen.

Ein grundlegendes Ergebnis der Befragung war: Die Befragungsteilnehmer stufen den Reifegrad der Digitalisierungsstrategie ihres Unternehmens auf einer Skala von 1 (existiert nicht) bis 10 (exzellent) mit einem Mittelwert von 6.36 ein. Das heißt, das Gros von ihnen erachtet ihre Organisation zwar auf dem Weg, sie sehen aber noch viel Luft nach oben. Dementsprechend stufen auch nur 23 Prozent der Befragten ihre Organisation bezüglich der digitalen Transformation als am Anfang stehend ein, was bei Großunternehmen mit professionellen IT-Abteilungen anders als bei vielen KMU nicht überrascht. Zugleich betonten jedoch mehr als zwei Drittel von ihnen (68 Prozent), dass ihre Organisation diesbezüglich noch vor großen Herausforderungen stehe, während nur eine Minderheit der Auffassung war, ihre Organisation sei diesbezüglich bereits fortgeschritten und habe schon erfolgreich eine Digitalisierungsstrategie implementiert (9 Prozent). Dessen ungeachtet zeigten sich jedoch 36 Prozent der Befragten mit dem Stand der Digitalisierung in ihrer Organisation „zufrieden“ und 4 Prozent sogar „sehr zufrieden“.

Die Technik ist nicht die größte Herausforderung

Bei der Frage in welchen Bereichen sich bei der bisherigen Transformation ihrer Organisation die größten Herausforderungen bzw. Probleme ergaben, äußerten nur 13 Prozent die Technik bzw. Komplexität der Aufgabe sei die größte Erfolgsbarriere gewesen. Weit häufiger wurden folgende Themenbereiche genannt:

  • kulturelle Veränderung im Unternehmen (24 Prozent)
  • Schwierigkeiten bei der Integration von Business und IT (21 Prozent)
  • mangelnde Kompetenzen und mangelndes Fachwissen (18 Prozent)
  • mangelnde Unterstützung und mangelndes Verständnis auf der obersten Leitungsebene (14 Prozent)

Das heißt, in der Regel liegen die zentralen Herausforderungen – anders als oft vermutet – nicht in der technischen Umsetzung der angestrebten Problemlösung.

Als größte Hürden bei der Umsetzung werden von den Befragten denn auch die Veränderungsresistenz der Organisation (31 Prozent) und die mangelnde Digitalisierungskompetenz (23 Prozent) genannt, gefolgt von einer unzureichenden Ausstattung mit Ressourcen (19 Prozent) und einem ungenügenden Alignment der Stakeholder (12 Prozent). Das heißt, zu 85 Prozent liegen die zentralen Hürden für eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalstrategie außerhalb des unmittelbaren Beeinflussungsfelds des IT-Bereichs.

Eine Synchronisierung der Maßnahmen fehlt oft

Dies scheint unter anderem an einem mangelnden Engagement der Unternehmensleitungen für die digitale Transformation in ihrer Organisation zu liegen. Diese Vermutung legen zumindest die Antworten der Befragten auf die Frage nahe,

  • wer aktuell der zentrale Treiber des digitalen Transformationsprozesses in ihrer Organisation ist und
  • wer dies sein sollte.

Die Ist-Situation stellt sich für die Befragungsteilnehmer wie folgt dar: 48,1 Prozent von ihnen erachten aktuell die CIOs bzw. IT-Leiter als die zentralen Transformationstreiber. Das heißt, fast die Hälfte der Befragten sind der Auffassung, dass sich die IT-Bereiche am stärksten für die mit der digitalen Transformation verbundenen Changeprozesse engagierten. Der Unternehmensleitung hingegen schreiben nur 20,4 Prozent diese Rolle zu. Dabei sollten, so die Auffassung von weit über zwei Dritteln der Befragten (73,0 Prozent) die Unternehmensleitungen die zentralen Treiber der Transformation sein.

Dass dies nicht der Fall ist, dürfte auch eine Ursache dafür sein, dass den Befragten zufolge nur in jedem sechsten Unternehmen eine systematische Synchronisierung der angestrebten Ziele zwischen dem Top-Management und den Leitern der IT-Bereiche erfolgt (16 Prozent). Dabei wären dies ein zentrales Element, um für die erforderliche Harmonie zwischen den betrieblichen Erfordernissen/Notwendigkeiten (Business), der IT-technischen Lösung und den strategischen (Entwicklungs-)Zielen zu sorgen. Stattdessen wird den Befragten zufolge im Betriebsalltag in der Regel versucht, in den Projekten selbst und Arbeitsgruppen (23 Prozent), in regelmäßigen Meetings (22 Prozent) und durch offene Kommunikationskultur (20 Prozent) die erforderliche Harmonie zwischen Business, IT und Strategie zu schaffen. Wenig überraschend ist es denn auch, dass als größter Engpass bei der digitalen Transformation neben der neben allgemein der Transformationskompetenz (37 Prozent) oft die Digitalisierungskompetenz des oberen Managements genannt werden (33 Prozess) – beides Engpässe, die die internen IT-Bereiche sowie externen Unterstützer, ohne einen entsprechenden Support durch das obere Management nicht überwinden können.

Integrierter digitaler Transformationsansatz wird unverzichtbar

Dabei wird ein solcher Support immer wichtiger, denn nach Auffassung von 90 Prozent der Befragten bedürfen die aktuellen Digitalisierungsstrategien der Unternehmen aufgrund solcher externer Einflussfaktoren wie der KI sowie der allgemeinen technologischen und gesellschaftlichen Entwicklung zumindest einer Neujustierung, da aus ihnen ein großer Handlungs- und Changebedarf resultiert. Dieser ist nach Auffassung von 82 Prozent der Befragten so groß, dass es eines integrierten Ansatzes der digitalen Transformation bedarf, der die vier Ebenen

  • Strategie und Werte,
  • Technologie und Architektur,
  • People und Organisation sowie
  • Alignment und Steuerung

miteinander verknüpft.

Ein solcher Ansatz wird ihnen zufolge zunehmend unverzichtbar, da, wenn eines der vier Handlungsfelder vernachlässigt wird, das Potenzial der digitalen Transformation nicht ausgeschöpft wird und die strategischen Entwicklungsziele nicht erreicht werden.

Die Technologie darf nie zum Selbstzweck werden

Dabei zeigte sich in den vertiefenden Gesprächen bzw. narrativen Interviews mit den Befragungsteilnehmern immer wieder: Aus ihrer Sicht hängt der Erfolg der digitalen Transformation nicht primär davon ab, die die richtigen Technologien zu kennen. Die zentralen Erfolgsfaktoren sind vielmehr

  • Faktor 1: Die technischen Möglichkeiten können in einen unternehmerischen Wert übersetzt werden.
  • Faktor 2: Die daraus abgeleiteten Unternehmensziele spiegeln sich in den Maßnahmen zur Kultur-, Organisations- und Personalentwicklung wider und sind auf die Notwendigkeiten abgestimmt, die sich aus dem Anspruch einer erfolgreichen Transformation ergeben.
  • Faktor 3: Das Kompetenzlevel speziell des obersten Managements ist ausreichend, um die notwendigen Wechselwirkungen bei den Elementen Unternehmensstrategie, Wertgenerierung, Technologie und Architektur sowie Kultur-, Organisations- und Personalentwicklung selbst aktiv steuern zu können.
  • Faktor 4: Die Implementierung wird von einer Steuerung begleitet, die sicherstellt, dass das Vorgehen, die Geschwindigkeit und die Zielerreichung dauerhaft synchronisiert sind.

Das heißt wiederum: Die Technologie darf nie als Selbstzweck gesehen werden. Sie muss vielmehr stets als ein Mittel zum Erreichen der unternehmerischen Ziele gesehen und verstanden werden, die wiederum nur mit einer Transformationsstrategie erreicht werden können, die die vier vorgenannten (Handlungs-)Ebenen integriert und hieraus die erforderlichen Maßnahmen im Unternehmensalltag ableitet.

Über die Autoren:

Georg KrausGeorg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal (www.kraus-und-partner.de). Er ist Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.

Schwefer PaulPaul Schwefer arbeitet als Associate Expert für die Unternehmensberatung Kraus & Partner, Bruchsal . Die Arbeitsschwerpunkte des studierten Mathematikers und der langjährigen Führungskraft in multinationalen Konzernen liegen in den Bereichen Innovation, Restrukturierung, Turnaround und Digitale Transformation.

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