Kommunikation

Kommunikation ist das Schmiermittel der Zusammenarbeit in Unternehmen. Deshalb müssen Führungskräfte und Projektmanager Kommunikationsprozesse effektiv gestalten können. Das erfordert im digitalen Zeitalter ein teils verändertes Verhalten.

„Das habe ich dem Mayer doch gesagt.“ „Ich hatte der Müller eine Mail geschrieben.“  Solche Aussagen hört man in Unternehmen oft, wenn etwas schief läuft – also zum Beispiel Aufgaben nicht wie gewünscht erledigt wurden. Dann beginnt meist die Suche nach dem Schuldigen. Und in der Regel hat derjenige den „Schwarzen Peter“, der zum Beispiel

  • eine Notiz im Meeting-Protokoll überlas,
  • eine Email falsch interpretierte oder
  • einer Bemerkung seines Chefs oder eines Kollegen zu wenig Bedeutung beimaß.

Denn er wurde ja informiert. Trotzdem geschah die Panne, denn die Botschaft kam entweder nicht beim Empfänger an oder er maß ihr nicht die gewünschte Bedeutung bei.

Viele Menschen unterschätzen die Komplexität zwischenmenschlicher Kommunikationsprozesse. Führungskräfte gehen zum Beispiel häufig selbstverständlich davon aus: Wenn ich einen Mitarbeiter über einen Sachverhalt informiere, dann ist ihm klar, was dies für ihn und seine Arbeit bedeutet. Und wenn sie einem Mitarbeiter einen Arbeitsauftrag erteilen und dieser nicht laut widerspricht? Dann erwarten sie, dass der Auftrag wie von ihnen gewünscht ausgeführt wird, ohne sich zu vergewissern:

  • Kam die Botschaft beim Mitarbeiter überhaupt an?,
  • Weiß er, welche Erwartung sein Chef an die Problemlösung hat? Und:
  • Ist er bereit und fähig dazu, den Auftrag auszuführen?

Und wenn der Auftrag erledigt sein soll? Dann sind sie häufig überrascht, dass der Mitarbeiter zu ihnen ebenso überrascht zum Beispiel sagt: „Das war mir nicht klar.“ Dann ist in der Kommunikation Führungskraft-Mitarbeiter etwas schief gelaufen.

Die vier Ebenen der Kommunikation

Bei der zwischenmenschlichen Kommunikation gilt es vier Ebenen zu unterscheiden. Da ist zunächst die Sachebene. Wenn wir mit anderen Menschen kommunizieren, wollen wir sie in der Regel über einen Sachverhalt informieren. Deshalb muss der Sender seine Botschaft so artikulieren, dass sein Gegenüber sie versteht – also zum Beispiel kein „Fachchinesisch“ sprechen, wenn sein Gesprächspartner ein Laie ist. Daneben gibt es die Beziehungsebene. Das heißt, abhängig von unserer Beziehung zu einer Person messen wir ein- und derselben Aussage eine unterschiedliche Bedeutung bei – zum Beispiel der Aussage „Das ist wichtig“. Sagt dies der „big boss“ erachten wir diese Aussage meist als bedeutsamer als wenn dies der Pförtner sagt. Und die Aussage „Da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen“? Diese glauben wir eher einer Person, der wir vertrauen, als einer Person, an deren Kompetenz oder Ehrlichkeit wir zweifeln.

Daneben existieren zwei weitere Ebenen: die Selbstaussage- und die Appell-Ebene. Beim Kommunizieren mit anderen Menschen senden wir an diese auch Informationen über uns selbst – zum Beispiel mittels unserer Gestik, Körpersprache und -haltung. Wirken unsere Körpersprache und unser Gesichtsausdruck relaxt, glaubt uns niemand, dass wir besorgt sind. Auch durch unsere Art zu sprechen – also zum Beispiel, wie laut und schnell wir reden – senden wir Botschaften an unser Gegenüber. Deshalb gilt es auch bei der Kommunikation per Telefon – ja, sogar per Email – die Selbstaussage-Ebene zu beachten. Denn allein schon die Tatsache, dass wir zum Beispiel eine Mail schreiben und nicht zum Telefonhörer greifen oder das persönliche Gespräch suchen, ist für unsere Kommunikationspartner oft schon eine wichtige Information darüber,

  • welche Bedeutung wir einer Angelegenheit beimessen und
  • welche Intention wir mit der Kommunikation oder Information verfolgen.

Eng damit verknüpft ist die Appell-Ebene. Beim Kommunizieren mit anderen Menschen wollen wir eigentlich stets etwas erreichen. Das muss nicht immer ein bestimmtes Handeln sein. Häufig ist unser Ziel oder unausgesprochener Wunsch auch, dass unser Gesprächspartner unserer Meinung zustimmt oder uns sympathisch findet. Deshalb fragen sich die Empfänger einer Botschaft stets auch: Was soll ich denken, fühlen oder tun? Und hierauf reagieren sie.

Das Vier-Ohren-Modell

Basierend auf diesen vier Kommunikationsebenen hat der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun das Vier-Ohren-Modell entwickelt. Ihm zufolge nehmen wir bei Kommunizieren die Botschaften unseres Gegenübers mit vier verschiedenen „Ohren“ wahr, und abhängig davon, mit welchem „Ohr“ wir gerade am intensivsten hören, interpretieren wir die Aussage verschieden (siehe Grafik).

Komunizieren-informieren_Grafik-Vier-Ohren

In seinem Buch „Miteinander reden“ erläutert Schulz von Thun dies am Beispiel: Ein Paar im Auto steht vor einer Ampel, und der Mann sagt zur Frau am Steuer: „Die Ampel ist grün.“ Diese Aussage kann die Frau wie folgt verstehen:

  • als Hinweis, dass die Ampel gerade auf Grün geschaltet hat (Sachebene),
  • als Aufforderung, loszufahren (Appell-Ebene),
  • als Hilfestellung oder als Kritik ihres Fahrverhaltens (Beziehungsebene),
  • als Indiz dafür, dass der Mann es eilig hat und ungeduldig ist (Selbst-Aussage).

Und abhängig davon, mit welchem „Ohr“ die Frau (gerade) „hört“, wird sie auf die Aussage reagieren. Empfindet sie diese als typisch männliche Bevormundung (Beziehungsebene) kann sie gereizt erwidern: „Fährst du oder fahre ich?“. Empfindet sie die Aussage als Ausdruck von Stress (Selbstaussage-Ebene), antwortet sie zum Beispiel gelassen: „Keine Angst, wir kommen rechtzeitig ans Ziel.“

Ebenso verhält es sich bei der Kommunikation in Unternehmen. Ein- und dieselbe Aussage kann völlig  unterschiedlich ankommen und folglich unterschiedliche Reaktionen auslösen – abhängig von

  • der Beziehung des Empfängers zum Sender,
  • der aktuellen Situation im Unternehmen,
  • dem aktuellen Befinden des Empfängers,
  • von seiner beruflichen Erfahrung und Persönlichkeit
  • und, und, und.

Gefragt sind sensible Kommunikatoren

Deshalb müssen zum Beispiel Führungskräfte und Projektleiter sehr gute, das heißt in erster Linie sensible Kommunikatoren sein. Sie brauchen ein feines Gespür dafür:

  • Welche Botschaften sende ich aufgrund meines Verhaltens, meiner Worte, meines Auftretens usw. aus? Und:
  • Wie werden diese von meinen Gesprächspartnern interpretiert?

Sie müssen zudem aufgrund ihrer Schlüsselfunktionen die Kommunikation mit Menschen so gestalten können, dass sie die gewünschte Wirkung erzielen.

Das setzt voraus, dass die Kommunikation in einem angemessenen Rahmen erfolgt – also zum Beispiel nicht zwischen Tür und Angel; außerdem, dass sie die ‚
Führungskräfte ausreichend Zeit für die Kommunikation nehmen. Also zum Beispiel bei wichtigen Themen ihre Mitarbeiter nicht nur über den Sachverhalt informieren, sondern sich auch vergewissern:

  • Kam meine Botschaft an?
  • Wurde sie verstanden? Und:
  • Ist den Mitarbeitern klar, was diese für sie, ihre Arbeit, für das Unternehmen bedeutet?

Auch dieses Sich-Vergewissern erfordert Kompetenz. Denn eine Rückfrage wie „Haben Sie mich verstanden?“ kann gemäß dem Vier-Ohren-Modell ebenfalls unterschiedlich verstanden werden – zum Beispiel als reine Infofrage, ob die Botschaft ankam (Sachebene), aber auch als Ausdruck eines mangelnden Vertrauens in die Kompetenz des Empfängers (Beziehungsebene). Deshalb sollten solche Rückfragen nicht als „Du-Botschaften“ („Haben Sie mich verstanden?“), sondern als „Ich-Botschaften“ formuliert werden: „Habe ich mich so ausgedrückt, dass meine Aussagen verständlich waren?“ Das beugt möglichen Irritationen vor.

Mehr Kanäle und noch mehr offene Fragen

Obige Ausführungen mögen manchen Lesern banal erscheinen – insbesondere solchen, die seit Jahren in ihren Unternehmen Funktionen innehaben, bei denen die Kommunikation von zentraler Bedeutung ist. Sie sind es aber nicht. Im Gegenteil! Das Thema Kommunikation beziehungsweise „Wie informieren wir einander und wie kommunizieren wir miteinander?“ ist aktuell in den Unternehmen hoch-brisant. Unter anderem aus folgenden Gründen:

  • Aufgrund der zunehmend praktizierten Team- und Projektarbeit in den Unternehmen müssen deren Mitarbeiter heute viel abteilungs- und oft auch standort- und hierarchieübergreifender agieren als in der Vergangenheit. Sie müssen also verstärkt mit Personen kooperieren, die ihren Arbeitsplatz nicht im selben oder benachbarten Büroraum haben und die sie aufgrund der räumlichen Distanz selten sehen.
  • Die wechselseitige Information und Kommunikation erfolgt zunehmend mit Hilfe der modernen Informations- und Kommunikationstechnologie.

Hierin schlummern Gefahren. Denn bei der elektronischen Information und Kommunikation gehen viele Infos verloren, die beim persönlichen Gespräch unter vier oder mehr Augen mitvermittelt werden. Dadurch erhöht sich das Risiko, dass Botschaften nicht oder falsch ankommen. Zudem kann der Sender, da er den Empfänger und seine Reaktion nicht sieht, schwieriger einschätzen:

  • Kam die Botschaft an?
  • Wird sie angemessen interpretiert? Und:
  • Welches Empfinden, Verhalten löst sie aus?

Auch dies erhöht die Gefahr, dass die Kommunikation ins Leere läuft.

Deshalb müssen die Verantwortlichen in den Unternehmen die tradierten Informations- und Kommunikationsregeln überdenken. Sie müssen sich fragen: An welchen Maximen sollte sich unser Informations- und Kommunikationsverhalten im digitalen Zeitalter orientieren, damit wir weiterhin die gewünschte Wirkung erzielen? Was kommunizieren wir zum Beispiel per Mail und wann suchen wir das persönliche Gespräch – sei es per Telefon, Skype oder unter vier Augen? Außerdem: Welche Verhaltensregeln sollen für unsere Kommunikation per Mail oder mittels der Social Media gelten? Diesbezüglich besteht in vielen Unternehmen aktuell ein hoher Klärungs- und Abstimmungsbedarf – weil sich in ihnen neben den Arbeitsstrukturen und -beziehungen auch die Informations- und Kommunikationsstrukturen rasant verändern.

Über den Autor:

Mullerschon, AlbrechtDr. Albrecht Müllerschön ist Inhaber der Müllerschön Managementberatung, Starzeln (Baden-Württemberg), die Unternehmen und ihre Mitarbeiter beim Bewältigen von Changevorhaben unterstützt. Der Wirtschaftspsychologe und Lehrcoach ist Autor mehrerer Personal-Fachbücher.

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