Trainer unterschätzen die Möglichkeiten des Online-Trainings

Anfang April gründete die Wiener Wirtschaftspsychologin Sabine Prohaska unter dem Dach ihrer Firma Seminar Consult Prohaska eine E-Learning Akademie. ……. sprach mit ihr über ihre Erfahrungen.

Frau Prohaska, Sie haben Anfang April mit Ihrem Unternehmen eine E-Learning-Akademie gegründet. Diese Online-Akademie vermittelt in der Weiterbildung bzw. Personalentwicklung tätigen Personen das nötige Know-how im Bereich E-Learning sowie Online-Training und -Coaching. Wie war es Ihnen möglich, diese Akademie so unmittelbar nach dem akuten Ausbruch der Corona zu starten?

Prohaska: Das war für uns zwar ein kurzzeitiger Kraftakt, aber kein Problem, weil wir viele der dort angebotenen Trainings zuvor schon mehrfach firmenintern bzw. im Auftrag von Unternehmen durchgeführt hatten und 2019 bereits unsere offene Ausbildung zum Blended-Learning-Trainer gestartet hatten.

Die Trainingskonzepte lagen also in der Schublade?

Prohaska: Eher auf unserem Server. Hinzu kam: Wir hatten den Start der E-Learning-Akademie ohnehin für diesen Spätsommer geplant. Folglich war auch die nötige technische Infrastruktur schon vorhanden. Deshalb mussten wir primär unser Trainingsangebot auf unsere Webseite bringen. Danach konnte die Akademie starten.

Großes Interesse an E-Learning-Trainingsangeboten

War die Nachfrage nach Ihren offenen Trainingsangeboten von Anfang an groß?

Prohaska: Überraschend groß angesichts der geringen Bekanntheit unserer Akademie. Ein, zwei Mailings und einige LinkedIn-Posts genügten, dann waren unsere ersten Online-Trainings ausgebucht.

Vermutlich weil zwei, drei Wochen zuvor mit dem Lockdown der Wirtschaft der Trainings- und Beratungsmarkt zusammengebrochen war und viele Berater erkannten: Wir müssen im Bereich Digitalisierung unserer Leistungen aktiv werden.

Prohaska: Ja. Deshalb starteten wir ja auch die Akademie früher als geplant.

Trainer wollen schnell auf veränderte Nachfrage reagieren

Frau Prohaska, nun ist die E-Akademie fast 1,5 Monaten „on-air“. Was können Sie über die Teilnehmer an den Online-Trainings sagen?

Prohaska: Etwa 2 Drittel sind selbstständige Berater, Trainer, Coaches und etwa 1 Drittel Angestellte von Unternehmen, wovon wiederum etwas mehr als die Hälfte Mitarbeiter der Personal- bzw. Aus- und Weiterbildungsabteilungen sind.

Die selbstständigen Trainer wollen künftig ihre Leistungen verstärkt online vermarkten. Das ist klar! Doch was sind die Motive der Mitarbeiter der HR-Bereiche von Unternehmen an Ihren Online-Trainings teilzunehmen?

Prohaska: Zum einen möchten sie eigene Knowhow- und Kompetenzlücken schließen. Zum anderen ist ein wichtiges Motiv: Sie wollen Seminar Consult Prohaska und die Weiterbildungsangebote der E-Learning-Akademie kennenlernen, weil sie wissen, unsere Trainer brauchen eine solche Weiterbildung.

Das heißt, Sie generieren aus ihrer Trainingsteilnahme Folgeaufträge?

Prohaska: Zumindest habe ich schon mehrere Angebote geschrieben.

Welches Trainingsangebot wurde bisher am häufigsten gebucht?

Prohaska: Das 2 mal 90-minütige Training „Wie bekomme ich mein Seminar schnell online?“.

Vermutlich, weil viele selbstständige Trainer hofften, so einen Teil ihrer wegbrechenden Aufträge kompensieren zu können.

Prohaska: Ja. Hierauf aufbauend buchten viele die Trainings „Live Online-Trainings professionell durchführen“ und das Online-Training zu den beiden Umfragetools Slido und Mentimeter; außerdem nicht selten eine Einzelberatung.

Online-Trainingsprogramme lassen sich einfach bedienen

Wie groß war das Vorwissen der Teilnehmer?

Prohaska: Meist gering. Selbst wenn sie sagten „Ich habe Vorwissen bzw. -erfahrung“ beschränkte sich dieses in der Regel darauf, dass sie schon an ein, zwei Online-Trainings oder Webinaren teilgenommen hatten.

Weshalb viele vermutlich, Angst vor der Technik hatten?

Prohaska: Ja, zumeist jedoch eine unbegründete, denn solche Software- bzw. E-Learning-Programme wie Zoom, ClickMeeting, Webinaris usw. sind in der Regel einfach zu bedienen: Man kann sich in sie in kurzer Zeit einarbeiten. Das Kernproblem der meisten Trainer ist: Wie konzipiere ich zum Beispiel mein bisheriges Tagesseminar so, dass die Inhalte online vermittelbar sind? Also letztlich die Frage, wie sollten die Lernarchitektur und das Lerndesign bei einem Online-Training im Gegensatz zu einem Präsenztraining gestaltet sein.

Auch Online kann man sich von Mensch zu Mensch begegnen

Warum ist das so wichtig?

Prohaska: Auch ein klassisches Präsenztraining lebt unter anderem vom Methodenwechsel und zwischen den einzelnen Blöcken gibt es regelmäßig Pausen. Dasselbe gilt für Online-Trainings, nur dass die Rahmenbedingungen andere sind, weshalb sich gewisse Methoden und Tools mehr oder weniger hierfür eignen. Kein Teilnehmer lässt sich jedoch gerne acht Stunden am Stück online berieseln, und die Lerneffekte tendieren hierbei gegen null.

Ein wichtiger Punkt dürfte auch sein: Bei einem Online-Training sitzt man den anderen Teilnehmern nicht leibhaft gegenüber und nimmt sie nicht ganzheitlich wahr.

Prohaska: Dieser Punkt wird von Trainern, die kaum Online-Erfahrung haben, meist überschätzt. Für sie ist es in der Regel ein Aha-Erlebnis, wie viel man bei Online-Trainings von den anderen Teilnehmern wahrnimmt – vorausgesetzt sie sind per Video und Audio zugeschaltet.

Haben Sie hierfür ein Beispiel?

Prohaska: In einem Online-Training unserer Akademie schauen wir uns zum Beispiel gemeinsam ein fünf-minütiges, recht emotionales Video an. Danach ist es für die Teilnehmer stets ein Aha-Erlebnis, dass man anschließend im Forum bei allen Teilnehmern die Betroffenheit spürt. Wichtig ist hierfür jedoch auch eine stets einwandfrei funktionierende Technik. Das ist bei vielen Systemen nur bedingt der Fall. Bei manchen fliegen Teilnehmer immer wieder raus, bei anderen friert das Bild regelmäßig ein und, und, und….

Online-Trainer müssen das System sicher navigieren können

Welchem System bevorzugen Sie?

Prohaska: In der E-Learning-Akademie nutzen wir für Online-Trainings Zoom, weil dieses System technisch – so meine Erfahrung – einwandfrei läuft und viele nützliche Funktionen enthält, die andere zum Teil nicht bieten.

Welche zum Beispiel?

Prohaska: Wichtig ist mir, dass alle Teilnehmer sichtbar und live zugeschaltet sind: zudem dass Gruppenräume existieren, in denen die Teilnehmer in Kleingruppen Aufgaben bearbeiten können. Als angenehm empfinde ich bei Zoom auch, dass die Teilnehmer über eine Timerfunktion darauf hingewiesen werden, dass die Gruppenarbeitsphase bald beendet ist und sie sich nicht plötzlich ganz unverhofft wieder im Plenum befinden. Als hilfreich erachte ich außer der Whiteboard-Funktion auch, dass man leicht Umfragen erstellen kann und die Teilnehmer Aussagen und Sachverhalte bewerten lassen kann. Auch dass verschickte Links tatsächlich als Links bei den Teilnehmern ankommen, die man nur anklicken muss, macht das System aus meiner Warte angenehm. Es gibt sehr viele Kleinigkeiten, in denen sich die Systeme unterscheiden, die jedoch letztlich deren Komfort ausmachen.

Zoom stand vor einigen Wochen aber stark in der Kritik, aus Datensicherheitsgründen.

Prohaska: Darauf hat das Unternehmen aber sehr schnell mit Updates reagiert. Betonen möchte ich jedoch nochmals: In der E-Learning-Akademie nutzen wir Zoom, bei firmeninternen Trainings entscheidet selbstverständlich der Kunde, welches System genutzt wird. Den hieraus resultierenden Schulungsaufwand für selbstständige Trainer sollte man jedoch nicht unterschätzen.

Inwiefern?

Prohaska: Ein Online-Trainer muss das genutzte System sicher und schnell navigieren können. Da es jedoch sehr viele Systeme gibt und diese verschieden aufgebaut sind, müssen sich Trainer in diese nicht nur einarbeiten, sie sollten auch eine gewisse Routine in deren Nutzung haben.

Eine offene Frage ist die Preis- und Vertragsgestaltung

Sonst bekommen sie in den Online-Trainings Schweißausbrüche, weil sie zum Beispiel den Button zum Start von Videos oder Öffnen von Gruppenräumen nicht finden.

Prohaska: Richtig. Ein weiteres Thema, das aktuell vielen Trainern auf den Nägeln brennt, ist gerade bei firmeninternen Trainings die Vertrags- und Preisgestaltung, da sie hiermit keine Erfahrung haben.

Inwiefern ist das Thema relevant?

Prohaska: Nun, es ist zum Beispiel nicht unüblich, dass Firmen Online-Seminare – ohne die Trainer vorab hierüber zu informieren – mitschneiden und danach intern für Schulungszwecke nutzen. Für einen Trainer bedeutet dies: Er kann sein Training oder Seminar in dem Unternehmen nur einmal und nie wieder halten, und er hat keine Kontrolle mehr darüber, in welchen Tochterunternehmen zum Beispiel des Konzerns das Video noch eingesetzt wird. Nicht selten nehmen an Online-Seminaren statt der avisierten 10 Personen auch plötzlich 20 oder gar 30 teil mit der saloppen Begründung: „Das ist für Sie doch kein Mehraufwand.“ Solche Dinge gilt es vertraglich zu regeln.

Können Sie einige Tipps zur Preis- und Vertragsgestaltung geben?

Prohaska: Das möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht, weil die Vereinigung der Businesstrainer Österreich (VBT), deren Vorstand ich angehöre, zurzeit mit dem BDVT an einer Empfehlung hierzu arbeitet. Deshalb bitte ich Sie noch um ein, zwei Wochen Geduld.

Wie schätzen Sie generell mittel- und langfristig die Nachfrage nach Präsenzseminaren und -trainings ein?

Prohaska: Darüber kann man aktuell nur spekulieren. Ich bin jedoch felsenfest überzeugt: Sie wird nie mehr das hohe Niveau wie vor der Krise erreichen. Deshalb ist das Thema partielle Digitalisierung der Trainings- und Beratungsleistung ja so wichtig.

Frau Prohaska, danke für das Gespräch.

Prohaska-Sabine_E-AkademieZur Interviewten: Sabine Prohaska ist Inhaberin des Wiener Beratungsunternehmens seminar consult prohaska, das über eine E-Learning-Academy verfügt und dessen Blended-Learning-Trainer-Ausbildung u.a. mit dem BDVT-Trainingspreis in Gold 2018/2019 ausgezeichnet wurde. Sie ist Mitglied des Verstands der Vereinigung der Businesstrainer Österreich (VBT).

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