Ja, ich bin ein Fachhändler für Beratung

Letztlich sind alle Berater – gleich welcher Couleur –  Fachhändler für Beratung, auch wenn sie sich zumeist nicht als solche verstehen. Dabei wäre es für ihre Selbstvermarktung zuweilen hilfreich, das eigene Business als „Fachgeschäft für …“ zu verstehen.

„Vordenker“, „Facilitator“ bzw. Ermöglicher, „Trusted Advisor“ – mit solchen Attributen schmücken sich Berater gerne. Doch als „Fachhändler für Beratung“ verstehen sich die meisten von ihnen nicht – und zwar unabhängig zwar davon, ob es sich bei ihnen um

  • Unternehmens- oder Personalberater,
  • IT-, Finanz-, Rechts- oder Steuerberater oder
  • Angehörige ähnlicher beratender Berufe wie Coaches, Mediatoren oder Therapeuten

handelt.

Dabei wäre dies zuweilen hilfreich, wenn es darum geht, ihre Leistungen an ihre Zielkunden zu vermarkten und verkaufen. Denn daraus, wie ein „Fachgeschäft für …“ aufgebaut bzw. strukturiert ist, lassen sich viele Rückschüsse für ihr Marketing und das Gestalten ihres Vertriebsprozesses ziehen.

Die Webseite: das Schaufenster der Berater

So hat zum Beispiel jedes Fachgeschäft ein Schaufenster. Dieses korrespondiert mit der Webseite eines Beratungsunternehmens bzw. -anbieters. Das Schaufenster seines Ladens gestaltet ein Fachhändler so, dass es

  • seine Zielkunden anzieht,
  • sie veranlasst, sich die dortigen Auslagen anzuschauen und danach im Idealfall das Geschäft zu betreten.

Dabei kann die Gestaltung des Schaufensters – abhängig von der Positionierung des Fachhändlers in seinem Markt – sehr unterschiedlich sein. So kann beispielsweise ein Textilhändler in sein Schaufenster ganz bewusst sehr preiswerte Kleidungsstücke stellen und daneben (oder an ihnen) jeweils knallgelbe oder -rote Schilder platzieren, auf denen dick und fett zum Beispiel steht

  • „Sales“ oder
  • „3 zum Preis von 2“ oder
  • unter einem durchgestrichenen Ursprungspreis ein deutlich niedrigerer Verkaufspreis,
  • sofern seine Zielkunden primär Personen mit einem eher dünnen Geldbeutel oder Schnäppchenjäger sind.

Der Textilhändler kann in seinem Schaufenster aber auch nur ausgewählte „Haute Couture“ oder hochwertige und -preisige Markenklamotten platzieren – ganz ohne Preisschilder, sofern seine Zielkunden finanziell eher „gut-betuchte“ Menschen sind, die zudem ein ausprägtes Markenbewusstsein haben.

Das Schaufenster soll Kunden zum Ladenbesuch motivieren

Was ein Fachhändler in seinem Schaufenster platziert und wie er es präsentiert, ist faktisch egal: Hauptsache, es motiviert seine Zielkunden seinen Laden zu betreten. Ähnlich verhält es sich bei den Webseiten von Beratungsunternehmen. Ihr oberstes Ziel muss es sein, dass dessen potenzielle Kunden dieses kontaktieren, denn nur können die Berater ihnen etwas verkaufen.

Angenommen nun ein Kunde betritt, weil ihn etwas im Schaufenster ansprach, das Geschäft eines Textilhändlers. Dann erkundigt sich der Händler in der Regel zunächst nach dem Bedarf des Kunden und versucht ihm anschließend etwas passendes zu verkaufen. Das muss nicht das Kleidungsstück sein, wegen dem der Kunde den Laden betrat – also den Händler kontaktierte. Dieser kann vielmehr im Verlauf des Beratungs- bzw. Verkaufsgesprächs, das er mit dem Kunden führt, zu diesem auch sagen: „Ich glaube, ich habe da noch etwas passenderes für Sie. Ich zeige Ihnen das mal.“

Im Verkaufsraum (bzw. persönlichen Kontakt) kann der Händler etwas verkaufen

Der Fachhändler kann dem Kunden also, wenn er mit ihm erst einmal in persönlichem Kontakt ist, auch etwas ganz anderes verkaufen als das, weshalb er ursprünglich das Geschäft betrat. Er kann zu ihm zudem sagen „Ich glaube, dass zu diesem Kleid (oder Hemd) auch vorzüglich dieser Schal passen würde“. Er kann also versuchen, Zusatz- und Hochverkäufe zu tätigen.

Dasselbe gilt für Berater, wenn ein potenzieller Kunde sie nach dem Besuch ihrer Webseite kontaktiert. Dann können sie ihm, sofern sie einen Draht zu ihm finden, alles Mögliche verkaufen – zum Beispiel, dass

  • das, was dem Kunden die beste Kosten-Nutzen-Relation bietet, oder
  • das, was ihnen als Verkäufer die höchste Rendite bringt, oder
  • …….

Was kaum Rendite bringt oder ein Ladenhüter ist, ab ins Lager

Jedes Fachgeschäft hat außer einem Schaufenster und dem Verkaufsraum bzw. eigentlichen Laden jedoch auch ein Lager. In diesem verstaut ein Fachhändler unter anderem all die Dinge, die er braucht, um aus Kundensicht ein Fachgeschäft und kundenorientiertes Unternehmen zu sein, die er aber nicht unbedingt verkaufen möchte. Das können bei einem Textilhändler zum Beispiel Reißverschlüsse, Knöpfe und Garne sein.

Ähnlich verhält sich bei Beratern. Auch sie haben in ihrem Produktportfolio meist auch Leistungen, die sie nicht aktiv verkaufen möchten – zum Beispiel, weil sie zu geringe Erträge bringen oder zu viele Ressourcen binden. Trotzdem müssen sie diese vorrätig haben, für den Fall, dass zum Beispiel ein Kunde, den sie keinesfalls verlieren möchten, danach fragt. Also müssen sie teilweise auch solche Leistungen auf Lager haben, die sich jedoch – ebenso wie ein Textilhändler – nur dann „hervorkramen“, wenn ein Kunde gezielt danach fragt.

Sie sehen, Ihr Beratungsunternehmen weist große Parallelen mit einem „Fachgeschäft für …“ auf.  Also können Sie sich beim Gestalten Ihres Marktauftritts auch an dem eines Fachhändlers orientieren, von dem seine Kunden auch erwarten, dass

  • er eine gewisse fachliche Expertise für … hat und
  • sie ihn deshalb bei Unsicherheiten auch um einen Rat oder eine Empfehlung fragen können.

Fachhändler offerieren ihren Kunden „entwickelte Produkte“

Noch an einem weiteren Punkt können sich viele selbstständige Berater – gleich welcher Couleur – Fachhändler zum Vorbild nehmen: Fachhändler offerieren ihren Kunden stets entwickelte Produkte nicht irgendwelche vagen Möglichkeiten, was sie im Bedarfsfall für sie tun könnten. So legen zum Beispiel Textilhändler in ihre Schaufenster nie Schnittmuster oder Skizzen der Kleidungsstücke, die man bei ihnen kaufen könnte, sondern stets fix und fertig genähte Hosen oder Röcke, Mäntel oder Jacken – die sie dann (als Fachhändler und nicht Billig-Anbieter) auf Kundenwunsch noch leicht abändern, also zum Beispiel kürzen. (Berater nennen dieses „Anpassen“ von Beratungsprodukten zuweilen „Maß-schneidern.)

Solche „entwickelten Produkte“ – mit einem definierten Leistungsumfang und Preis – sucht man auf vielen Beraterseiten vergebens. Auch dies ist nicht selten ein Grund, warum potenzielle Kunden, die durch die virtuelle Einkaufsstraße Internet „flanieren“, häufig die betreffenden Berater nicht kontaktieren, sondern zum nächsten Anbieter weiterziehen. Schließlich gibt es im Internet mindestens ebenso viele „Fachgeschäfte für Beratung“ wie es im Zentrum einer Großstadt Bekleidungsgeschäfte gibt. Warum sollten potenzielle Interessenten dann den erstbesten Anbieter kontaktieren? Sie betreten (sieht man eventuell von meiner geliebten Frau ab ) beim Bummeln durch die Stadt ja auch nicht jeden Klamottenladen.

Autor: Bernhard Kuntz

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