Karriere

In Österreich sind Toppositionen in Unternehmen nach wie vor fest in Männerhand. Neben hervorragenden Kompetenzen brauchen Frauen auf ihrem Karrierepfad vor allem Netzwerke und Eigenmarketing.

Gundi Wentner ist seit Jahrzehnten eine der führenden Beraterinnen Österreichs. Und sie zeichnet ein Bild, das zum Nachdenken anregt: „Männer rekrutieren eher Männer als Frauen, da unbewusst nach dem Prinzip der Selbstähnlichkeit ausgesucht wird“, ist die Partnerin von Deloitte Österreich überzeugt. Aufgrund der nach wie vor extrem konservativen Rollenbilder in Österreich werden daher „Frauen nicht dieselben Führungsqualitäten wie Männern zugeschrieben“, berichtet die Personalberaterin weiter.

Während noch im mittleren Management zahlreiche Frauen zu finden sind, kommen diese dann kaum in die oberen Führungsebenen, die für die Besetzung von Vorstands- und Aufsichtsratspositionen verantwortlich sind. Einen Hauptgrund sieht Wentner in den Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel dem Halbtagsschulsystem: „Da die Familienarbeit zu 80 Prozent bei den Frauen liegt, entscheiden sich viele hochqualifizierte Frauen für Teilzeit und Familie und gegen Karriere.“

Cornelia Zinn-Zinnenburg, Geschäftsführerin der Kienbaum Consultants International, sieht die Gründe hierfür auch in einem unterschiedlichen Wertesystem: „Frauen definieren sich weniger über Macht und Einfluss. Stattdessen haben sie hohe Ansprüche an sich selbst und auch eine andere Einstellung zu Verantwortung.“ Durch die Konzentration auf die fachlichen Herausforderungen vergessen sie aber oftmals auf ein unterstützendes Netzwerk. „Es ist immer wieder anstrengend, sich rein sachlich zu behaupten“, gibt die Beraterin zu bedenken.

Familie und Karriere

Dass viele Frauen oftmals gar nicht den Wunsch haben, eine Karriere in Richtung Topmanagement einzuschlagen, stellt Natalie Bairaktaridis, Managing Partner der Signium Management Consulting, immer wieder fest: „Eine Spitzenposition erfordert nicht nur erheblichen Einsatz und Mut, sondern vor allem große Abstriche im Privatleben. Diesen Preis wollen viele Frauen nicht bezahlen.“ Bairaktaridis sieht aber auch eine neue Generation an weiblichen Führungskräften heranwachsen, die erst spät eine Familie gründet und die sich sowohl Karriere als auch Familie wünscht. Die Geschäftsführerin des Executive Search Unternehmens hat als Mutter einer zweijährigen Tochter selbst lernen müssen, Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. „Die finanziellen Möglichkeiten als Führungskraft schaffen die Voraussetzungen für eine umfassende Kinderbetreuung. Aber es braucht auch einen Partner, der das mitträgt und einen sowohl zeitlich als auch psychisch unterstützt“, berichtet Natalie Bairaktaridis aus eigener Erfahrung.

Weniger Führungskräfte

Während auf dem Arbeitsmarkt Fachkräfte immer rarer werden, zeichnet sich ebenfalls ein Mangel an Führungskräften quer durch alle Branchen ab. „Viele Manager erreichen einen Punkt in ihrem Leben, wo sie kein Interesse mehr an einer hierarchischen Karriereentwicklung haben, materielle Bedürfnisse mehr als befriedigt sind, Macht und Einfluss keine Rolle mehr spielen und sie sich völlig neu orientieren“, berichtet Cornelia Zinn-Zinnenburg aus ihrer Beraterpraxis. „Geld ist kein Hauptmotivator mehr. Double Career und die Familienorganisation hemmen die Mobilität, die wir oft für die Besetzung von Führungspositionen benötigen“, erklärt die Kienbaum Geschäftsführerin.

Neue Anforderungen

Unabhängig vom Geschlecht suchen die Headhunterinnen verstärkt nach Führungskräften, die den Anforderungen der Zukunft gerecht werden.

Gundi Wentner: „Im Zentrum stehen zukünftig noch mehr Leadership, Umgang mit Unsicherheit und Veränderungen, Talent, Management und Selbstkompetenz, wie zum Beispiel Lernfähigkeit, Misserfolgstoleranz und Selbstreflexion.“

Natalie Bairaktaridis schaut vor allem auch bei ihren Kandidatinnen und Kandidaten auf ein hohes Maß an Eigenmotivation und unternehmerischem Denken: „Bemerkenswert sind jene Führungskräfte, die es bewerkstelligen, Nachfrage für ein Produkt zu schaffen, das keiner kennt, die Niederlagen einstecken können und sich trotzdem nicht entmutigen lassen, die weitermachen und neue Wege gehen.“ Eine weitere zentrale Fähigkeit sieht die Headhunterin in der Selbstverantwortung für die eigene Karriere: „Es wird immer wichtiger, sich zu fragen, wo es hingehen soll, selbstbestimmt vorzugehen, proaktive Entscheidungen zu treffen und nicht einfach darauf zu warten, dass einen jemand entdeckt.“

Bei dem Führungskräftemangel stellen karriereorientierte und gut ausgebildete Frauen einen umfassenden Talentepool dar. Während engagierte Frauen in fachlicher und persönlicher Hinsicht oftmals sehr kompetent sind, fehlt es ihnen häufig an zwei Erfolgsfaktoren, die auf dem Weg nach ganz oben entscheidend sind: den nötigen Netzwerken und umfassendem Eigenmarketing.

Vernetzen und Werben

Die Bedeutung von Netzwerken wird von Frauen oftmals unterschätzt. Cornelia Zinn-Zinnenburg: „Sie vergessen oft, dass das reale Netzwerk und das damit begründete Vertrauen oft über reine Kompetenz gestellt ist.“ Was Männer bereits sehr gut können, müssen Frauen erst richtig lernen. „Männer sind besser miteinander vernetzt und kommen so rascher an wichtige Informationen“, berichtet Natalie Bairaktaridis aus ihrer Executive Search Praxis. Auch Eigenmarketing sollte nicht zu kurz kommen. „Es ist viel schwieriger, sich als Person mit seinen Kompetenzen zu verkaufen als ein Produkt. Sich als Person zu positionieren ist aufwändig und dauert mitunter mehr als zehn Jahre“, weiß die Beraterin.

Noch sehen die Headhunterinnen wenig positive Veränderungen. Auch die Besetzungsentscheidungen für Aufsichtsratspositionen im öffentlichen Sektor sind für Frauen nicht einfacher geworden. „Oft werden bei Frauen strengere Anforderungen und Beurteilungskriterien festgelegt, während bei Männern in der Vergangenheit häufig einfach die aktuelle Position oder persönliche Kontakte ausschlaggebend waren“, beschreibt es Gundi Wentner. „Auch auf Vorstandsebene erkenne ich keine Tendenz zu mehr Frauen“, resümiert die Deloitte Partnerin. Für jene Frauen, die sich proaktiv für ihre Karriere entscheiden, wird es wohl auch weiterhin einige Hürden zu überwinden geben. Neben der fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung lohnt es sich aber, Zeit in den Aufbau eines privaten und beruflichen Netzwerkes zu investieren und die eigenen Kompetenzen und Erfolge zukünftig stärker ins Rampenlicht zu stellen.

(Erschienen in SUCCEED 04/2012)

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