In einer Zeit, in der täglich neue Technologien im Mittelpunkt stehen und KI in aller Mund ist, wird der menschliche Faktor manchmal übersehen. Doch Unternehmen bestehen nicht nur aus Zahlen und Zielen. Und Projekte nicht nur aus Plänen, Abgabeterminen und kalkulierbaren Budgets. Es sind vor allem zwischenmenschliche Fähigkeiten, und damit die Mitarbeitenden, die über Nichterfolg oder Erfolg entscheiden. Umso wichtiger ist es deshalb, nicht nur in die Technik und Schulungen dazu zu investieren, damit Mitarbeitende moderne KI-Anwendungen beherrschen, sondern auch in Soft Skills, wie wertschätzende Kommunikation, menschenzentrierte Führung oder effektive Konfliktlösung.
Die Bedeutung von Soft Skills im Projektmanagement ist groß. Sie spielen eine zentrale Rolle. Angefangen bei der Zusammenstellung der Projektteams, über den Weg, Projektziele möglichst effektiv zu erreichen, Projektergebnisse möglicherweise zu verbessern bis hin zu organisatorischen Veränderungsinitiativen – all das beinhaltet die Koordination und Verwaltung von Stakeholdern, Prozessen und Ressourcen. Und das geht nun einmal nicht, ohne dass Menschen miteinander reden. Eine persönliche und präzise Kommunikation sorgt dafür, dass alle Beteiligten auf dem gleichen Stand sind und Missverständnisse vermieden werden. Transparenz schafft Vertrauen – das wiederum fördert ein gutes Teamgefühl. Hilfreich sowohl, um gemeinsam kreative Lösungen zu entwickeln und Herausforderungen besser zu meistern, als auch mögliche Konflikte schneller zu erkennen und zu lösen.
Warum nur technisch versierte Projektmanagerinnen/-manager scheitern
In der Welt des Projektmanagements wird oft die Bedeutung von harten Fähigkeiten wie technischem Know-how und analytischem Denken betont. Natürlich ist all das wichtig, aber alleine damit lassen sich Projekte nicht erfolgreich managen. Vor allem in einem zunehmenden VUCA-Umfeld ist die Bedeutung menschenzentrierter Fähigkeiten unbestreitbar. Auch Unternehmen haben dies nach dem ersten KI-Hype bereits erkannt: Laut einer aktuellen Studie[1] legen 78 Prozent der Organisationen in diesem Jahr den Schwerpunkt auf die Entwicklung professioneller Soft Skills; 97 Prozent messen ihnen zumindest einige oder signifikante Bedeutung bei.
Gefragt sind neben Führung und Kommunikation vor allem Emotionale Intelligenz und Empathie – zwei Bereiche, in denen die KI (noch) nicht punkten kann. Projektmanagerinnen/-manager müssen in der Lage sein, die Emotionen und Bedürfnisse ihrer Teammitglieder zu erkennen (damit tut sich KI schwer) und darauf angemessen zu reagieren. Eine unterstützende und einfühlsame (das kann keine KI) Arbeitsumgebung steigert das Engagement und die Zufriedenheit des Teams, was wiederum die Leistung und den Erfolg des Projekts fördert.
Projekte sind temporäre Organisationen. Zentrale Aufgabe ist die Koordination von Menschen (Projektbeteiligte, Projektteam, Zulieferer, Management usw.), um gemeinsam vordefinierte Ziele zu erreichen. Ohne klare Kommunikation, effektive Konfliktlösung, emotionale Intelligenz und motivierende Führung kann selbst das technisch versierteste und KI-gesteuerte Projektmanagement scheitern. Angesichts des zunehmenden Bedarfs an diesen Fähigkeiten ist es nicht verwunderlich, dass in der bekannten Projektmanagement-Zertifizierung PRINCE2 7 (seit März 2024 auf Deutsch erhältlich) das integrierte Element „Menschen“ neu eingeführt wurde. Es steht sogar im Mittelpunkt der anderen vier integrierten Elemente: „Prinzipien“, „Praktiken“, „Prozesse“ und „Projektkontext“. Eine Würdigung des Menschen sozusagen und seiner Fähigkeit, starke Beziehungen aufzubauen, um den Projekterfolg erst zu ermöglichen.
Die Projektmanagementpraktiken haben sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt. Dabei hat die KI bereits bislang eine entscheidende und wird auch in Zukunft eine noch viel wichtigere Rolle spielen. Aber an Projekten sind eben auch Menschen beteiligt. Projekte sind zeitlich befristet und setzen sich oft aus Mitarbeitenden oder Teams verschiedener Unternehmensbereiche zusammen, die oft konkurrierende Prioritäten haben, unterschiedliche Dienstgrade und manchmal auch eine unterschiedliche Arbeitskultur aufweisen. Umso wichtiger ist die Etablierung einer erfolgreichen Projektkultur. Diese soll Mitarbeitende motivieren und ein gemeinsames Verständnis fördern. Letztendlich hängen die Effektivität und Ergebnisse des Projektes davon ab, wie gut die gebildeten Teams sowie funktionsübergreifende interne Mitarbeitende und (bei Bedarf) externe Lieferanten und Partner zusammenarbeiten.
Wie KI uns Menschen im Projektmanagement unterstützen kann
Nachdem wir uns intensiv mit dem Menschen als zentralem Erfolgsfaktor im Projektmanagement beschäftigt haben, wollen wir aber auch noch einen Blick auf die Möglichkeiten werfen, wie KI uns dabei unterstützen kann, die Effizienz und Effektivität in Projekten zu steigern. Wichtig dabei ist, KI nie als Ersatz (für den Menschen), sondern immer als Ergänzung anzusehen – mit dem Ziel, Projektmanagerinnen/-manager bei ihrer Aufgabe genau da zu unterstützen, wo es Sinn macht. Unter dem Aspekt hat KI tatsächlich Potenzial, das Projektmanagement, wie wir es kennen, zu revolutionieren. Schauen wir uns zwei Bereiche einmal etwas genauer an:
- Automatisierung einfacher Aufgaben mit KI
KI ist hervorragend darin, sich wiederholende und routinemäßige Aufgaben zu erledigen, die ansonsten wertvolle Zeit einer/eines Projektmanagerin/-managers in Anspruch nehmen würde. Zum Beispiel können KI-gestützte Tools die Terminplanung automatisieren, Projektzeitpläne aktualisieren und die Ressourcenzuweisung verwalten. Stellen wir uns ein Projekt vor, bei dem Teammitglieder täglich ihre Stunden erfassen und ihren Fortschritt aktualisieren müssen. Ein KI-Tool kann diese Aktualisierungen automatisch verfolgen, Erinnerungen an Teammitglieder senden und in Echtzeit Berichte erstellen. Diese Automatisierung reduziert nicht nur die administrative Belastung der/des Projektmanagerin/-managers, sondern minimiert auch menschliche Fehler und stellt sicher, dass die Projektdaten immer aktuell sind.
- Unterstützung bei komplexen Entscheidungen
Über einfache Aufgaben hinaus kann KI auch bei komplexeren Bereichen des Projektmanagements erhebliche Unterstützung bieten. Beispielsweise können prädiktive Analysen Projektrisiken vorhersagen und Strategien zur Risikominderung vorschlagen. Stellen wir uns eine Situation vor, in der ein Projekt Gefahr läuft, seine Frist zu verpassen. Ein KI-Tool kann historische Daten analysieren, Muster identifizieren, die zu früheren Verzögerungen führten, und proaktive Maßnahmen empfehlen, um das Projekt auf Kurs zu halten. Darüber hinaus kann KI bei der Optimierung der Ressourcennutzung helfen, indem sie Arbeitslasten analysiert und die effizienteste Verteilung von Aufgaben unter den Teammitgliedern vorschlägt.
Die Vorteile für Projektmanagerinnen/-manager und Organisationen liegen auf der Hand:
- Erhöhte Effizienz: Durch die Automatisierung routinemäßiger Aufgaben ermöglicht die KI den Projektmanagerinnen/-managern, sich auf höherwertige Aktivitäten wie strategische Planung und Stakeholder-Management zu konzentrieren.
- Verbesserte Entscheidungsfindung: KI liefert datengestützte Erkenntnisse, die Projektmanagerinnen/-managern helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen und die Wahrscheinlichkeit von Projektfehlern zu verringern.
- Kosteneinsparungen: Automatisierung und verbesserte Effizienz führen zu erheblichen Kosteneinsparungen für Organisationen.
- Verbesserte Genauigkeit: KI minimiert menschliche Fehler und stellt sicher, dass Projektdaten genau und zuverlässig sind.
- Skalierbarkeit: KI-Tools können problemlos skalieren, um mehrere Projekte gleichzeitig zu verwalten und konsistente Unterstützung in der gesamten Organisation zu bieten.
Integration von KI in PRINCE2-Prozesse
PRINCE2, eine der am weitesten verbreiteten Projektmanagementmethoden, besteht aus sieben Prozessen. KI kann nahtlos in jeden dieser Prozesse integriert werden, um Effizienz und Effektivität zu steigern:
- Vorbereiten eines Projekts: KI kann bei der Sammlung und Analyse von vorläufigen Projektdaten helfen, um erste Risiken und Ressourcenanforderungen zu identifizieren.
- Lenken eines Projekts: KI-Tools können Echtzeit-Dashboards und Berichte für das obere Management bereitstellen, um sicherzustellen, dass sie die neuesten Informationen für strategische Entscheidungen haben.
- Initiieren eines Projekts: Während der Projektinitiierung kann KI bei der Erstellung detaillierter Projektpläne helfen, indem sie historische Daten analysiert und realistische Zeitpläne und Budgets vorschlägt.
- Steuern einer Phase: KI kann den Projektfortschritt kontinuierlich überwachen und Warnungen ausgeben, wenn Abweichungen vom Plan auftreten, wodurch rechtzeitige Korrekturmaßnahmen ermöglicht werden.
- Managen der Produktlieferung: KI kann Aufgaben optimal zuweisen und den Fortschritt verfolgen, um sicherzustellen, dass die Produktlieferung im Zeitplan bleibt.
- Managen eines Phasenübergangs: KI kann die Leistung der aktuellen Phase bewerten und die Auswirkungen auf nachfolgende Phasen vorhersagen, um reibungslosere Übergänge zu ermöglichen.
- Abschließen eines Projekts: KI kann die Dokumentation und Analyse der Projektergebnisse automatisieren und wertvolle Erkenntnisse für zukünftige Projekte liefern.
KI transformiert das Feld des Projektmanagements und bietet Tools und Erkenntnisse, die Effizienz und Effektivität erheblich steigern können. Durch die Automatisierung einfacher Aufgaben und die Unterstützung komplexer Entscheidungsprozesse ermöglicht KI es den Projektmanagerinnen/-managern, sich auf strategische Initiativen zu konzentrieren und bessere Ergebnisse zu liefern. Die Integration von KI in PRINCE2-Prozesse stellt sicher, dass Projekte mit größerer Präzision und Agilität verwaltet werden.
Die Notwendigkeit, sich in beiden Bereichen weiterzubilden
Die Zukunft des Projektmanagements hat begonnen. Künstliche Intelligenz UND Soft Skills weisen den Weg. Damit Projektmanagerinnen/-manager die Vorteile der KI voll ausschöpfen können, ist es wichtig, ein solides Verständnis für KI-Technologien und deren Anwendungen zu entwickeln. Dies umfasst das Erlernen des Umgangs mit KI-Tools, das Interpretieren von KI-generierten Daten und die Integration von KI in bestehende Projektmanagementpraktiken. Schulungsprogramme, Workshops und Zertifizierungen in KI und Datenanalyse können Projektmanagerinnen/-manager mit den notwendigen Fähigkeiten ausstatten, um im sich entwickelnden Umfeld des Projektmanagements wettbewerbsfähig zu bleiben. Allerdings möchten wir auch noch einmal eindringlich auf den ersten Part dieses Beitrags verweisen: Neben den Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz darf man die entscheidende Rolle der zwischenmenschlichen Fähigkeiten, auch bekannt als Soft Skills, nicht unterschätzen. Die Fähigkeit, effektiv mit Menschen zu kommunizieren, Konflikte zu lösen und Teams zu motivieren, ist von entscheidender Bedeutung für den Erfolg jedes Projekts.
Fazit: Ob KI oder nicht, ist nicht die Frage. Ebenso wenig, wie nur Soft Skills keine Lösung sind. Die Wahrheit liegt, wie immer, irgendwo dazwischen. Oder besser im klugen und strategischen Miteinander von Methoden und Kompetenzen, von Technik und Mensch. Die kontinuierliche Entwicklung menschenzentrierter Fähigkeiten ist entscheidend, um im KI-gesteuerten Arbeitsumfeld relevant und erfolgreich zu bleiben. Die einzige Zukunftssicherung heißt also Weiterbildung. Erkennen Organisationen wie Mitarbeitende das und finden einen guten Weg, hier gemeinsam individuell fördernde Maßnahmen zu finden und umzusetzen, steht dem Miteinander von KI und EQ nichts mehr im Weg.
[1] „Developing an adaptable and productive workforce fort he future“, The trends and challenges facing senior leadership teams in 2024, ILX-Group 2023
Über die Autorin:
Sidra Sammi ist seit 2022 bei der ILX Group für die Geschäftsentwicklung DACH verantwortlich. Ihre Stärke liegt im Identifizieren spezifischer Herausforderungen in Organisationen und der Präsentation maßgeschneiderter Lösungen für Unternehmen, die Best-Practice-Methoden wie PRINCE2, ITIL und PRINCE2 Agile nutzen.