Turnaround erfordert einen Changeprozess im Unternehmen

Ein Unternehmen befindet sich in einer Existenzkrise. Dann erfordert das Überleben meist einen Turnaround, der die Weichen in der Organisation neu stellt. Hierbei handelt es sich um einen Changeprozess unter erschwerten Bedingungen. Entsprechend professionell sollte er gemanagt werden.

Immer wieder geraten Unternehmen in eine Situation, in der ihre Existenz akut oder mittelfristig bedroht ist. Dann müssen sie einen sogenannten Turnaround vollziehen. Hierbei handelt es sich um einen Prozess, in dem – wie der englische Begriff „turn around“ bereits andeutet – die Vorzeichen, unter denen die Entwicklung des Unternehmens steht, umgedreht werden. Sie werden weg vom Negativen hin zum Positiven gewendet, so dass

  • die Existenz des Unternehmens wieder gesichert ist und
  • dieses wieder voller Zuversicht in die Zukunft blickt, weil es sich erkenn- und messbar wieder in der Erfolgsspur befindet.

Das heißt unter anderem,

  • die Liquidität des Unternehmens ist gesichert,
  • seine Wettbewerbsfähigkeit ist wieder hergestellt und
  • es arbeitet rentabel.

Existentielle Krisen sind das Resultat eines Prozesses

Die Ursachen, warum Unternehmen in existenzgefährdende Krisensituationen geraten, die einen Turnaround erfordern, können sehr unterschiedlich sein. Meist dauert es jedoch einige Zeit, bis im Top-Management allmählich die Erkenntnis reift: Wir müssen einen Turnaround vollziehen. In der Regel ist der Anlass hierfür ein akutes betriebliches Problem wie

  • der Umsatz sinkt beispielsweise aufgrund einer Veränderung des Markt- und Wettbewerbsumfelds (Absatz- und Umsatzkrise),
  • die (Fix-)Kosten sind zu hoch, beispielsweise aufgrund einer geringen Prozesseffizienz (Kostenkrise),
  • die Finanzierung des laufenden Geschäfts ist bedroht, beispielsweise aufgrund eines hohen Forderungs- und Vorratsbestands und einer steigenden Verschuldung (Finanz- und Liquiditätskrise) oder
  • das Management ist nicht entscheidungs- und handlungsfähig, zum Beispiel, weil es überfordert oder uneins ist (Managementkrise).

Werden diese Problemfelder rechtzeitig erkannt und die erforderlichen Gegenmaßnahmen ergriffen, dann muss zum Beispiel aus der Managementkrise oder Absatz- und Umsatzkrise eines Unternehmens keine Existenzkrise erwachsen, die letztlich nicht nur einen Turnaround, sondern auch eine Sanierung des Unternehmens erfordert. Zwar verursachen vereinzelt sogenannte „schwarze Schwäne“, also nicht oder nur schwer vorhersehbare Ereignisse wie die Finanzkrise 2008 oder aktuelle Handelsstreit zwischen den USA und China Existenzkrisen von Unternehmen, dies ist jedoch eher selten.

Aus Managementkrisen erwachsen oft Existenzkrisen

Analysiert man die Ursachen, warum Unternehmen in einer Existenzkrise stecken, dann zeigt sich oft folgender typische Verlauf: Aus einer Managementkrise erwuchs eine strategische Krise. Diese führte zu einer Absatz- und Umsatzkrise, die wiederum zu einer Ertrags- und dann Liquiditätskrise führte, die ihrerseits die Existenzkrise auslöste.

Exemplarisch lässt sich dieser Verlauf aktuell beispielsweise bei vielen Automobilindustrie-Zulieferern beobachten, die in jüngster Zeit einen Personalabbau oder gar eine Insolvenz verkündet haben. Sie machten sich meist in der Vergangenheit nicht nur in einem zu hohen Maße abhängig von zwei, drei Schlüsselkunden, sondern auch von bestimmten technischen Problemlösungen. Und diese „strategische Krise“ führte wiederum – auch im Gefolge der „Dieselaffäre“ und der aktuellen Klimadebatte – zu einer Absatz-, Ertrags- und Liquiditätskrise, die vereinzelt zu einer Existenzkrise wurde. Ähnlich Prozesse lassen sich im Bankensektor bei den Geldinstituten beobachten, die auf die Niedrigzinspolitik der EZB nach der Finanzkrise und den Strukturwandel im Finanzsektor nicht oder nicht adäquat reagierten. Deshalb sollte in jedem Unternehmen ein Alarmsystem existieren, das Problemfelder in der Organisation so frühzeitig signalisiert, dass Existenzkrisen vermieden werden können.

Befindet sich ein Unternehmen erst einmal in einer Existenzkrise, dann ist in der Regel auch seine Liquidität bedroht. Also gilt es diese zunächst wieder herzustellen, damit das Unternehmen zahlungsfähig bleibt und nicht Insolvenz anmelden muss. Das Problem hierbei ist jedoch: Befindet sich ein Unternehmen erst einmal – beispielsweise, weil sein Geschäftsmodell nicht mehr den Marktanforderungen entspricht – in einer Existenzkrise, sind auch die potenziellen Geldgeber wie Banken und Investoren nur noch sehr bedingt bereit, dem betroffenen Unternehmen die gewünschten oder erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, denn sie wissen: Die angestrebte Sanierung erfordert nicht nur ihre Zeit; sie wird auch den größten Teil der bereitgestellten Finanzmittel verschlingen. Ähnlich verhält es sich bei vielen für die Leistungserbringung des Unternehmens strategisch wichtigen Lieferanten und Geschäftspartnern. Sie sind oft nur noch gegen Vorkasse zu einer Zusammenarbeit bereit, sofern ihnen kein in ihren Augen schlüssiges und überzeugendes Konzept vorliegt, wie das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur zurückfindet und die Gewinnzone erreicht.

Die Problemwurzeln ermitteln und analysieren

Deshalb ist der erste Schritt zur Sanierung eines Unternehmens eine fundierte Analyse, warum das Unternehmen in der Krise steckt. Das heißt, sich konkrete Fragen stellen wie: Warum werden die Produkte/Problemlösungen des Unternehmens nicht mehr nachgefragt? Zum Beispiel, weil sie zu teuer sind? Oder weil sie technisch veraltet sind? Oder weil sie den Kundenanforderungen nicht mehr entsprechen? Oder weil der Service nicht stimmt? Oder weil….?

Hierauf aufbauend gilt es dann beispielsweise zu ermitteln, warum die Produkte zu teuer sind. Zum Beispiel, weil die Beschaffungskosten des Unternehmens zu hoch sind? Oder weil seine Produktionsprozesse ineffizient sind? Oder will die Kosten-Nutzen-Relation der Problemlösung aus Kundensicht zu niedrig ist? Oder weil zu viele Zwischenhändler daran mitverdienen? Oder weil….?

Erst durch dieses konsequente Nach- und Weiterfragen gelangt man zur den eigentlichen Problemursachen. Doch dies ist allein genügt nicht, um nachhaltige Problemlösungen zu entwerfen. Wichtig ist auch, sich zu fragen: Warum wurde das Problem nicht früher erkannt und gelöst? Zum Beispiel, weil ein entsprechendes Alarmsystem fehlt? Oder weil dem Unternehmen hierfür die erforderliche Kompetenz fehlt? Oder weil das Management nicht entscheidungs- und handlungsfähig war und ist? Oder weil…?

Eine fundierte Analyse der Krisenursachen gelingt Unternehmen in der Regel ohne eine externe Unterstützung nicht, denn: Das nachfragende Bohren in der Ist-Situation und Historie des Unternehmens, um zu den Problemwurzeln zu gelangen, ist stets ein schmerzhafter Prozess, bei dem auch Fehler und Versäumnisse in der Vergangenheit, über die bisher der Mantel des Schweigens gehüllt wurde, ans Licht gezerrt werden – auch Fehler und Versäumnisse des Managements. Deshalb sind mit der Sanierung eines Unternehmens meist auch personelle Wechsel auf der Managementebene verbunden, da dem vorhandenen Management oft die nötige Kompetenz fehlt, um – zumindest aus Sicht der Investoren – das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur zur führen. Ansonsten wäre das Unternehmen, so ihre Überzeugung, erst gar nicht in eine Existenzkrise geraten.

Ein Sanierungskonzept und -gutachten erstellen

Liegen die Analyseergebnisse vor, kann ein Sanierungskonzept erstellt werden, in dem die Maßnahmen, mit denen das Unternehmen seine Markt- und Wettbewerbsfähigkeit wiederherstellen möchte, definiert, quantifiziert, budgetiert und terminiert werden.

Dieses Sanierungskonzept dient dann als Grundlage für das Sanierungsgutachten. Mit ihm sollen unter anderem die (potenziellen) Investoren und Kapitalgeber des Unternehmens von dessen Sanierungsfähigkeit überzeugt werden. In dieses Gutachten fließen zahlreiche in- und externe Faktoren ein, wie zum Beispiel

  • die Attraktivität des Markts des Unternehmens,
  • dessen angestrebtes künftiges Geschäftsmodells und
  • die künftigen Geschäftsrisiken

Zudem wird im Sanierungsgutachten geprüft, inwieweit das Sanierungskonzept tatsächlich geeignet ist, den angestrebten Turnaround zu vollziehen und das Unternehmen wieder in die Erfolgsspur zu führen. Beurteilt werden in diesem Zusammenhang unter anderem die Schlüssigkeit und Finanzierbarkeit der beabsichtigten Maßnahmen sowie deren Wirkungen auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage. Zudem werden für das Gutachten Alternativrechnungen durchgeführt, die unter anderem die Planungsunsicherheiten berücksichtigen (z.B. bezüglich der Liquidität und der Einhaltung der finanziellen Verpflichtungen und Vereinbarungen). Zudem werden in ihm noch einmal die kritischen Prämissen herausgearbeitet, auf denen die Planungen beruhen (z.B. Markt-/Konjunkturentwicklung, Entwicklung der Rohstoffpreise, Fortbestand der Verträge mit wichtigen Großkunden).

Den Meilenstein Turnaround erreichen

Aufgrund des Sanierungsgutachtens treffen dann die Kapitalgeber ihre Entscheidung, ob und wenn ja unter welchen Bedingungen sie dem Unternehmen die für die Sanierung gewünschten oder benötigten finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Danach kann im Falle eines positiven Bescheids die eigentliche Sanierung beginnen, deren erstes Teilziel das Erreichen des sogenannten Turnarounds ist.

Stellt das Management eines Unternehmens fest „Wir haben den Turnaround geschafft“, dann bedeutet dies: Das ehemals „kranke“ bzw. in seiner Existenz bedrohte Unternehmen befindet sich wieder in der Erfolgsspur; seine Existenz ist nicht mehr akut bedroht. Der Turnaround ist somit ein zentraler Meilenstein in dem Changeprozess, der auf die Sanierung des Unternehmens und die Wiederherstellung seiner kurz-, mittel- und langfristigen Wettbewerbsfähigkeit abzielt.

Turnaround erfordert schmerzhaften Changeprozess

Um diesen Meilenstein zu erreichen, ist in der Regel ein Bündel von Maßnahmen nötig, die zum Beispiel auf

  • eine Senkung der Fixkosten (beispielsweise durch einen Personalabbau),
  • eine Steigerung der Produktivität, Qualität und Kundenorientierung,
  • eine Wiederherstellung der Wettbewerbs- und Kreditfähigkeit und
  • ein Sicherstellen der Liquidität

abzielen.

Diese Maßnahmen sind zumindest für Teile der Belegschaft oft sehr schmerzhaft, denn mit ihnen geht neben einer Umstrukturierung häufig ein Personalabbau einher. Sie sind deshalb, wenn nicht mit einem Verlust des Arbeitsplatzes, so doch oft mit einem Verlust von Privilegien verbunden. Zudem erfordert das Erreichen des Ziels der Maßnahmen meist ein radikales Umdenken sowie das Aufgeben liebgewonnener, nicht selten identitätsstiftender Gewohnheiten sowie Routinen und Verhaltensmuster. Entsprechend schwer ist der auf einen Turnaround abzielende Changeprozess zu managen – unter anderem, weil er in der Regel auch auf Widerstände stößt.

Wieder zuversichtlich in die Zukunft blicken

Gemessen wird das Erreichen des Turnarounds meist am Erreichen von im Vorfeld im Sanierungskonzept und Sanierungsgutachten definierten Kennzahlen – wie zum Beispiel Cashflow, Umsatz, Rendite, Durchlaufzeiten.

Werden diese Zahlen erreicht, bedeutet dies aus Change-Management-Warte: Das Unternehmen hat das sogenannte Tal der Tränen durchschritten. Es kann wieder hoffnungsfroh in die Zukunft blicken, sofern es den eingeschlagenen Kurs beibehält.

Über den Autor:

Georg KrausDr. Georg Kraus ist geschäftsführender Gesellschafter der Unternehmensberatung Dr. Kraus & Partner, Bruchsal. Er ist unter anderem Lehrbeauftragter an der Universität Karlsruhe, der IAE in Aix-en-provence, der St. Gallener Business-School und der technischen Universität Clausthal.

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